Wie ein blitzendes Messer erhob sich der blutrote Tag, und die Meute der Jäger erschien, die im Hinterhalt lag, mit den Flinten schon schußbereit, funkelnd, vom Morgentau naß. Auf dem faulig stinkenden Flußufer bebte das Gras bei dem Aufstieg der Riesenlibellen und - los ging der Spaß. Mit verkniffenen Kiefern kauerten wir auf dem Bauch. Sogar der, der die Lappen mißachtet hat, zitterte auch... Der den Kugeln entrann und der schnellste wohl mochte sein, mit den Pfoten grub er sich halb in die Erde schon ein und machte sich, bebend vor Angst wie ein Mäuschen klein. Niemals hab ich gehört, daß ein Wolfsleben lustig sein kann, ob wir selbst es uns wünschen - vergeblich zwar - froh, ohne Tränen. Doch der Tod, der lächelt mit breitem Grinsen uns an mit makellos kräftigen, teuflisch gesunden Zähnen. Darum grinsen wir auch, wenn der Erzfeind uns attackiert, doch die Schweißhunde noch nicht fallen über uns her. Aber wenn unser Blut ringsum den Schnee tätowiert, dann jaulen wir: »Wölfe, nein, Wölfe sind wir nicht mehr!« Und dann kriechen wir hündisch mit eingezogenem Schwanz, unsere Schnauzen verwundert und fragend gen Himmel gereckt. Ob der Schöpfer zur Strafe uns trieb in den Todestanz? Ist’s das Ende der Welt? Oder nur ein Gehirndefekt? Warum schießt die Libelle? Was ist’s, was man damit bezweckt? Unterm Bleiregen mußten wir baden im eignen Blut und begriffen: Alles ist aus! Wir fanden uns ab, als der Schnee langsam schmolz von der brennenden Bäuche Glut. Doch nicht Gott, sondern Menschen verschuldeten dies Massengrab! Aber fort flogen sie! Über keinen brach je ein Richter den Stab. Doch ihr Bluthunde, hütet euch, weiter Streit zu riskieren! Wenn ihr selbst nicht mit Übermacht kommt, dann gnade euch Gott! Der Wolf trotzt dem Tod, um die Freiheit nicht zu verlieren! Ihr Köter, ihr sterbt einen kläglichen Sklaventod! Mit wölfischem Grinsen gehn wir den Feinden entgegen, damit uns die Nachwelt nicht Feiglinge schimpft hinterher. Doch unsere Blutspur im Schnee kann nicht widerlegen den kläglichen Aufschrei: »Wir sind keine Wölfe mehr!« In den Wald! In den Wald! Ihr letzten, die übrig geblieben! Je schneller ihr lauft, um so weniger trifft man euch! Vergeßt nicht die Jungen, in Sicherheit bringt eure Lieben! Die betrunkenen Jäger lenke ich ab... und rufe zugleich die Verirrten zusammen, die sich der Freiheit verschrieben. Ach, nur wenige sind ’s, die ans andere Ufer kommen! Ich schaffte nicht mehr, was vermag schon einer allein! Meine Stimme versagt, ich seh nur noch alles verschwommen. Gelbäugige Brüder, hört ihr nicht mein Schrein? Wo seid ihr, Wölfe, erschossen, gefangengenommen? Ich lebe noch, aber von Hunden bin ich umzingelt, die all ihren Herrn nie haben die Zähne gezeigt, die alle umschmeicheln, winselnd, die Schwänze geringelt! Entfernte Verwandte, von ähnlichen Eltern erzeugt. Mit wölfischem Grinsen blicke ich ihnen entgegen, entblöße die Zähne, die stumpf sind schon allzu sehr. Die Schneespur verweht... Wem wird heut das Herz noch erregen der klägliche Aufschrei: »Wir sind keine Wölfe mehr!«
© Martin Remane. Übersetzung, 1986