Im Rampenlicht, für alle sichtbar, klar, Das Übliche, ich nehme die Gitarre Und tret ans Mikro wie an den Altar, Nein, heute eher wie an eine Knarre. Ich weiß, daß dieses Mikro mich nicht mag. Ich sah schon manchen, wenn ich sang, erschrecken. Doch dieses Mikro bringt sie an den Tag, Die leisen Lügen, die in Liedern stecken. Scheinwerfer mir in die Augen glotzen, Blenden mich, sehe nichts, ist zum Kotzen, Boxt mich das Rampenlicht, läuft der Schweiß, Es ist heiß, so heiß! Die Mikrobestie, scharf wie ein Schakal, Ist nicht zu täuschen, wenn ich mal falsch singe. Ob gut, ob schlecht, dem Mikro ist’s egal, Obwohl ich stets das Letzte aus mir wringe. Ich müßte wechseln Tonart, Harmonie, Denn heute bin ich ganz besonders heiser, Doch täuschte ich das Mikro damit nie, Verstellte ich die Stimme, tiefer, leiser. Scheinwerfer mir in die Augen glotzen, Blenden mich, sehe nichts, ist zum Kotzen, Boxt mich das Rampenlicht, läuft der Schweiß, Es ist heiß, so heiß! Sein Hals ist biegsam, lauert ohne Ruh, Wie eine Schlange scharf auf jede Schwäche. Beim kleinsten Schweigen beißt sie plötzlich zu, So singe ich, bis ich zusammenbreche. Bleib ruhig, zittre nicht, nur nicht zurück! Komm, unterdrück die Angst vor den zwei Zungen, Denn deine Töne sind das Zauberstück, Mit denen wird das Schlangenbiest bezwungen. Scheinwerfer mir in die Augen glotzen, Blenden mich, sehe nichts, ist zum Kotzen, Boxt mich das Rampenlicht, läuft der Schweiß, Es ist heiß, so heiß! So ein verfreßnes Küken, pickt voll Gier Mir einzeln jeden Ton aus meinem Rachen. Es feuert Blei mir in die Stirn, das Tier. Gitarre in der Hand, was soll ich machen? Ob das noch einmal gut zu Ende geht? Zum Ew’gen Licht seh ich es sich verkehren, Ikone, Kerze, Hände beim Gebet, Es wird mich niemals als Idol verehren. Scheinwerfer mir in die Augen glotzen, Blenden mich, sehe nichts, ist zum Kotzen, Boxt mich das Rampenlicht, läuft der Schweiß, Es ist heiß, so heiß! Die Lieder, die ich singe, sind sehr schlicht, Doch treffe ich mal irgendwann daneben, Gleich stellt mich dieses Mikro vor Gericht Und will mir für den Mißgriff eine kleben. Im Rampenlicht, für alle sichtbar, klar, Was krieg ich heute? Lob oder Zigarre? Ich tret ans Mikro wie an den Altar. Nein, heute eher wie an eine Knarre. Scheinwerfer mir in die Augen glotzen, Blenden mich, sehe nichts, ist zum Kotzen, Boxt mich das Rampenlicht, läuft der Schweiß, Es ist heiß, so heiß!
© Reinhold Andert. Übersetzung, 1989
© Boris Wajchanski. Vortrag, 2006