Nachahmung Bulat Okudshawa
Hat sich die Wahrheit mal mit exquisiter Garderobe Für arme Schlucker und Trottel zur Schönheit gemacht, Lockte sie zu sich nach Hause der Schwindel, der grobe, Sagte:"Du kannst ohne Angst bei mir schlafen heut nacht." Still und naiv lag die Wahrheit dann in Morpheus’ Armen, Stand noch ein sabbriges Lächeln da auf ihrem Mund, Nahm er die Bettdecke weg, ohne Furcht und Erbarmen Machte er’s ihr, war zufrieden, gesättigt, gesund. Aufstehen, zuknöpfen, er schnitt ’ne hämische Fratze: "Weiber sind Weiber, Warum habe ich mich geniert? Gleich ist die Wahrheit dem Schwindel trotz allem Geschwatze, Wenn man sie beide nur nakt siet und analysiert." Aus ihrem Haar flocht der Schwindel die goldenen Bänder, Nahm sich die Kleider nach Augenmaß für seinen Zweck, Ausweise, Geldscheine, Armbanduhr und den Kalender. Spuckt’ in die Ecke und flucht’, aber nichts wie hier weg. Morgens, da schaute die Wahrheit erst in einen Spiegel, Hat sich gewundert, als sie sich so nackt stehen sah. Irgendwer kam dann zu ihr, hatte Teer in ’nem Tiegel, Hat sie beschmiert. Aber mehr war nicht, was da geschah. Hat noch gelacht, als man sie bombardierte mit Steinen: "Alles gelogen -- mein Kleid hat der Schwindel jetzt an!" Zwei von den Trotteln verhaften sie. Mit gemeinen Ausdrücken wurde beschimpft sie von diesem Gespann. Nannten sie Flittchen, du Prostituierte und schlimmer, Noch mal beschmiert, scharfe Wachhunde auf sie gehetzt. "Hauptstadtverbot! Ab sofort, und das gilt jetzt für immer! Einen Tag Zeit, wenn nicht, weißt du ja, was es denn setzt!" Das Protokoll war gefüllt wie ein stinkender Kübel, Flickte man doch gleich ein paar andere Fälle mit ein. "Schlampe du, du nennst dich Wahrheit! Na, das ist nicht übel! Du bist versoffen, verhurt. Hau jetzt ab, altes Schwein!" Wahrheit, die nackte, sie weinte, beschwor sie auf Knieen, Streunte umher, wurde krank, hatte kein’ Pfennig Geld. Schwindel indes hat wie üblich, ein Pferd sich geliehen, Ritt dann im Affenzahn auf diesem Pferd in die Welt.
Ist doch viel schöner, ’s wird offen und ehrlich gelogen, Wahrheit, die quält jeden, stich einem nur ins Gesicht, Hat, unbestechlich, sich in eine Wildnis verzogen, Meidet die Menschen und, weil sie auch nackt ist, das Licht.
Mancher versucht, für die Wahrheit zu kämpfen, zu Vortrag, Doch in der Rede steckt Wahrheit, die Schwindelei heißt: "Einst wird die Wahrheit die Plane des Siegers erringen, Wenn sie genau wie der Schwindel die andern bescheißt." Oft, wenn wir sitzen und jeder hat einen gesoffen, Weiß man nicht mehr, wo man pennen soll bei diesem Pack. Ziehn sie dich aus, das ist Wahrheit, so nackt und so offen. Schau nur, schon zieht deine Hose an der Lügensack, Schau nur, schon legt deine Uhr sich an der Lügensack, Schau nur, schon lenkt er dein Pferd hinweg, der Lügensack...
© Reinhold Andert. Übersetzung, ?
© Ralf Zimmermann. Musik, 1990
Ralf Zimmermann. Vortrag, 1990