Beharrlich tauche ich hinab, Der Atem stockt, die Ohren sausen. Was ich dort bloß verloren hab? Was fehlt mir auf dem Festland draußen? Dort steht mein Bett, mein Tisch, mein Haus, Wo wir aus voller Kehle sangen. Beim Schwimmen sah ich nicht gut aus, Doch unter bin ich nie gegangen. Erregungen im Mondenschein Verbleichen in der Alltagsjauche, Stets endgültiger wird es sein, Je tiefer ich ins Jenseits tauche. Ich atme anders mit dem Mund, Das Brodeln ringsum ignorierend, Und immer schneller hin zum Grund, Den Archimedes korrigierend. Mein Innenkompaß ist verstellt, Und Märchen sind mir eingefallen, Ich öffne mir die neue Welt, Vorbei an Riffen und Korallen. Seh ganze Städte ringsherum, Und Fische schwimmen durch sie leise, Die Unterwasserwelt ist stumm, Ist wundervoll bemalt und weise. Wo ist die böse Dunkelheit, Mit der uns Mütter Furcht einjagen? Hier ist es hell, obwohl kein Scheit, Kein Sonnenstrahl hierher getragen. Was nicht verstanden, weil genial, Als Plätschern, als ein Streich gegolten - Hier liegt gerettet es im Gral, Gejagt, verboten und gescholten. Gott steh mir bei, wenn ich’s geschafft, Dann laß ich diesen Schatz nicht stehen. Ich tauch hinab mit aller Kraft, Doch es wird schwer, tiefer zu gehen. Mein Schädel fühlt sich wie im Grab, Der Druck wird mir das Rückgrat lähmen, Das Wasser stößt mich von sich ab, Die Tiefe will mich nicht annehmen. Dann die Harpune ausgeklinkt, Nahm einen Stein - ihr sollt nicht richten, - Weil man damit schnell tiefer sinkt, Bis zu den allerletzten Schichten. Das Messer weg, ich brauch es nicht, Dort gibt es keine Fallensteller. Wer Waffen trägt, ist nicht ganz dicht, Wie eine Laus auf einem Teller. Bin einem Wasserpilze gleich, Vergessen Dienstgrad, Rang und Orden, Bin wieder Fisch, wie einst im Teich, Die Lunge Kieme ist geworden. Du Taucher, den Neptun man nennt, Mußt meine Zweifel mir austreiben. Warum hat man uns einst getrennt, Warum aufs Land und nicht hier bleiben? Ich mache mir - und kriege Wut! - Seit langem arges Kopfzerbrechen: War, daß wir Menschen wurden, gut? Warum begannen wir zu sprechen? Vier Beine erst, dann plötzlich zwei? Warum gestreckt gebeugte Rücken? Doch nur, um - Gott sieht zu dabei - Uns Knüppel in die Hand zu drücken. Nach Wissen haben wir gedrängt, Schafott und Galgen ward erfunden. Gut, wenn ein Mensch am Haken hängt, Verraten und ans Kreuz gebunden. Mit Absicht tauch ich tief hinab, Das SOS wird laut geschrieen, Und mach ich vor dem Ziel noch schlapp, Dann, Freunde, müßt ihr zu mir fliehen. Doch nicht ins Leid, ins Mißgeschick, Nicht, um ins Grab gelegt zu werden, Zum Wasserunterschlupf zurück, Zum ew’gen Schoß der Mutter Erden. Die Schultern klopft mir ein Trepang, Wir sind demselben Stamm entsprungen. Ich spucke aus den Atemstrang Und lasse Wasser in die Lungen. Jetzt schließt die Reihen und marschiert! Vergeßt, pfropft euch die Ohren zu! Ein Mensch ist fort, nichts ist passiert. Ich komm zurück, raub eure Ruh!
© Reinhold Andert. Übersetzung, 1989