In einem Park - kann mit dem Namen nicht mehr dienen - lebt unter Wölfen, jedoch brav und bieder, ein Ziegenbock; der heulte aber nicht mit ihnen, der meckerte ganz friedlich seine Ziegenlieder, zupfte gemächlich Gras, wurde langsam dicklich und nie verließ ein Schimpfwort seinen Mund. Er nützte keinem, blieb gern brav und schicklich und gab zu keinen Klagen Grund. So lebt’ er still an einem kleinen See und nie betrat er boshaft fremdes Land, er war kein Sündenbock in spe - und doch: man hat gewählt und ihn ernannt! Da war der Bär: ein Wirrkopf und Ganove, der griff in seinem Tone oft sehr frech daneben - dann suchte man den Bock, der war ja jetzt der Doofe, um ihm ganz herzhaft Prügel auf die Nuß zu geben. Dann stand er still, der kleine, graue, ertrug die Prügel stolz und froh, daß selbst der Bär, der neunmalschlaue, sprach: »Unser Bock gefällt mir so, ein Ziegenmaul, doch heldenhaft!« Man hegt den Bock wie’s eigen Blut und schaut nach ihm gewissenhaft, daß er nicht fortzugehn geruht. So sprang umher der Bock, nach Ziegenart, doch schon begann ihn Mutwill umzutreiben; er knüpft sich Knoten in den Bart, rief »Lump« zum Wolf - nicht ohne im Gebüsch zu bleiben. Als man ihm seine Sünden wieder mal erließ, die Wölfe hatten mehr als zugeteilt gefressen, schrie er wie der Bär. Zufällig? Alle hörten dies und hatten es schon bald vergessen, denn unter den Tieren im Park war Streit - weshalb ihnen allen sonnenklar, daß besser als Füchse und Bären zur Zeit ihr teurer Sündenbock war. Das hört auch der Bock, und es verändert sein Wesen: Ihr Braunen, schreit er, ihr mit den Flecken, eure Bären-Privilegien sind mal gewesen, und die Wolfsration brauch ich zu anderen Zwecken. Was ein Ziegenmaul kann, bring ich euch bei, ich zeig euch, wo’s langgeht und mache euch Beine, ich nehm euch aufs Horn und schlag euch zu Brei und kassiere den Ruhm dafür ganz alleine! Dreck sollt ihr fressen, allesamt, ihr sollt krepieren ohne Vergebung, ich hab eure Sünden fest in der Hand - denn ich bin der Sündenbock der Bewegung!                        
© Helmut Butzmann. Übersetzung, 1986