In den alten Zeiten war
Alles besser, das ist klar.
Jeder weiß das selbst, nicht wahr?!
Und sogar
Mir hat erst ein Typ erzählt,
Alle Märchen auf der Welt
Seien nicht mehr aktuell
und nichts wert.
Deren Zeit sei längst vorbei,
Die Gedanken sind nicht frei,
Unklar, ob noch sitzt am Rhein
Lorelei...
Ich persönlich glaube ihm,
Und das ist nur halb so schlimm,
Aber so was ahnten nicht
die Brüder Grimm.
Der langen Reden kurzer Sinn:
Futsch ist futsch, und hin ist hin.
Längst nicht alles steht im
Märchenbuch drin.
Und es fehlt zwar ein Beweis,
Für den ganzen diesen Scheiß,
Aber ich erzähle das,
was ich weiß.
Deutsche Wälder sind fast leer,
Dort gibt’s keine Hexen mehr,
Auf dem Brocken blieb’n drei Stück
ungefähr.
Und das ist schon lange her,
Als sie flogen kreuz und quer -
Nahmen teil am Luftverkehr
immer gern.
Diese Zeit ist längst vorbei,
Man hat leider keinerlei
Achtung mehr vor Hexen und
Hexerei.
Mir erzählte nebenbei
Eine Hexe aus Altai,
Die zum Hexenfest nach Harz
kam im Mai:
„Leider hat mein Traumberuf
Heutzutag’ ’nen schlechten Ruf
Und deswegen kam auch ich
in Verruf.
Man behauptet, ich sei bös,
Steinalt, hässlich, mitleidlos...
Diese Gräuelmärchen sind
schikanös.
Ich war auch jung, hübsch und nett,
Hab Napoleon erlebt,
Ich war Krankenschwester im
Lazarett.
Damals war ich noch kokett
Und verliebt in ’nen Kornett,
Mit ihm hatte ich paar Mal
tete-a-tete.
Obwohl ich ein Kind gern hätt’,
Klappte’s nicht mit dem Kornett,
Später auch nicht, aber jetzt
ist’s zu spät...
Mein Kornett fiel irgendwo
Bei dem Dorf Borodino.
Das ist hundert Jahre her,
oder so...
Ich ergab mich in mein Los -
Leider bleib ich kinderlos,
Ich werd’ sehr kapriziös
und nervös.
Na, kein Wunder, wenn man lebt
Ganz allein am Arsch der Welt,
Ich bin Waise - keine Mutti,
kein Dad...
Mir ist gar nicht wohl zumut’,
Denn mein Besen ist kaputt -
Kann nicht fliegen und das tut
mir nicht gut.
Ich lief mir schon die Füße wund,
Bin gefallen auf den Mund,
Kam in Teufels Küche und
auf den Hund.
Ich bin ganz und gar konfus,
Denn zu allem Überfluss
Kriegte ich ’nen Hexenschuss
und zum Schluss
Einen Kniegelenkerguss,
Denn im Wald gibt’s keinen Bus
Und ich viel zu viel zu Fuß
gehen muss.
Endlich wollte ich um Rat
Bitten den Kollege Schrat -
Alle diese Leiden hatte
ich satt.
Nur von Mitleid - keine Spur,
Und der Schrat wies mir die Tür -
„Keinen Rat mehr ohne Praxis–
gebühr!“
Er - der Schuft - hat Geld wie Mist,
Nur er ist kein Altruist,
Sondern ein verdammtes Biest.
Antichrist!
Wie du selbst, mein lieber, siehst
Auch das Hexenleben ist
Hart und bitter, tückisch - List
wider List!“
Die Hexe ward weiß wie die Wand,
Sie hustete und dann verschwand -
Spurlos, schnell und elegant
aus dem Stand.
Ich blieb stehen steif und starr...
Jetzt vermiss’ ich sie sogar...
Sie kommt wieder nächstes Jahr,
das ist klar.
Und ich weiß aus erster Hand -
Denn wir sind entfernt verwandt -
Schneewittchen ist nicht ganz
bei Verstand,
Ihre Schönheit längst verschwand,
Sogar Spieglein an der Wand
Meint sie sei nicht mehr die Schönste
im Land.
Und noch so ’ne Schweinerei -
Ihr Gemahl hat keinerlei
Angst vor erstem Kinderschrei,
zweifelsfrei!
Und das Schneewittchen war
Schwanger praktisch jedes Jahr,
Seit sie mit dem Königssohn
sind ein Paar.
Einer von den Söhnen schlägt
Aus der Art sehr ausgeprägt
Und der Vater überlegt
aufgeregt:
Wer war da eigentlich am Werk?
Alle Jungs sind groß, wie ’n Berg,
Nur der älteste sieht aus
wie ein Zwerg.
Die sieben Zwerge sind auch jetzt
Eine Seele und ein Herz,
In den Bergen suchen sie
nicht mehr Erz.
Im Erzgebirge ist es bloß
Nach der Wende nicht viel los,
Alle frei sind endlich und
arbeitslos.
Auch die Zwerge sind jetzt frei,
Alle sieben - vier und drei,
Sie bereuen nichts - vorbei
ist vorbei!
Sie verdienen ärgerfrei
Im Circus Krone nebenbei
Und als Gartenzwerge in
Gärtnerei.
Das war alles in der Tat,
das ist leider wahr
Der das zuletzt erzählt hat,
dem ist der Mund noch warm.
Und was jetzt? Kommt Zeit, kommt Rat...
Da läuft eine Maus!
Wenn jemand sie gefangen hat,
dann ist das Märchen aus.
Mit berühmter Bremer Band
Gibt es auch kein Happy-End.
Schade, aber jeder friend
lebt getrennt.
Alter Esel - ihr Ex-Boss -
Wurde mürrisch und nervös,
Nahm leicht ab. Was hat der bloß?
Was ist los?!
Ohne Frau und ohne Flirt
Geht ’s nicht mehr, hat er kapiert -
Ganz normal war dieses Tier
orientiert.
Er fand sich irgendwo im Zoo
Eine Braut mit großem Po,
Wurde wieder brav und so
lebensfroh.
Und der Hahn flog schon hinaus,
Lebt nicht mehr im Räuberhaus,
Eines Tag ’s nahm er Reißaus
und das war ’s.
Er hat sicher schon ’nen Knall,
Denn er hört ja überall
Vom Zugvögelüberfall
vom Ural.
Man setzt bald die Hühner fest,
Wegen der Geflügelpest,
Und der Hahn ruft alle auf
zum Protest.
Engagiert - wie Willy Brand -
Kämpft der Bremer Musikant
Für die Vögelrechte im
Vaterland.
Alte Katze geht schon lahm,
Hat im Leibe keine Scham -
Träumt von ’nem gestiefelten
Bräutigam.
Sie stieß neulich irgendwo
Auf ein Buch von Charles Perrault,
Und seitdem hat sie im Ohr
einen Floh.
Plötzlich hat sie sich verknallt,
Aber sie hat nicht geschnallt,
Dass für diesen Kater ist
sie zu alt.
Und sie hat auch nicht kapiert,
Dass er gar nicht existiert -
In den Kindermärchen wird
phantasiert.
Die Nachricht geht von Mund zu Mund,
Dass der Hund kam auf den Hund,
Lebt verwildert, einsam und
ungesund.
Man erzählt, der Hund Packan
Streicht durch Bremen ab und an...
Ich sah ihn auf der A1
Autobahn.
Das war alles in der Tat,
das ist leider wahr.
Der das zuletzt erzählt hat,
dem ist der Mund noch warm.
Und was jetzt? Kommt Zeit, kommt Rat.
Da läuft eine Maus!
Wenn jemand sie gefangen hat,
dann ist mein Märchen aus!
Aschenputtel lässt sich schon
Trennen von dem Königssohn,
Pfeift sie auf den guten Ton,
und auf den Thron.
„Wirf “, - schreit sie ihm rappelig, -
„Gold und Silber über mich!
Oder morgen gehe ich
auf den Strich!“
Aschenputtel kennt den Pfiff,
Sie ist gar nicht so naiv,
Nur die erste Ehe lief
leider schief.
Sie hat alles jetzt im Griff -
Ihre Schwester mit der
Stiefmutter leben jetzt am Meer
im Schloss If.
Ex-Frosch-König ist zutiefst
Resigniert, denn - so ein Mist! -
Lieber Sohn wurde Marxist-
Leninist...
Und empört ist er zugleich -
Er sei nicht so einflussreich,
Wie jetzt deutscher Kaiser
aus Österreich.
Man erzählt, Rotkäppchen kam
Durch den Zufall zum Islam,
Läuft im Kopftuch auf dem
Kurfürstendamm.
Vielleicht wohnt sie nebenan,
Sieht schön aus dank Ramadan,
Hat auch rotes Käppchen an,
dann und wann.
Dornröschen - mit einem Schlag -
Fand an Spinnerei Geschmack,
Spinnt und spinnt den ganzen Tag,
weil sie ’s mag.
Leider schläft sie jetzt fast nie,
Keine Spur von Lethargie,
’ne Schlafmittelallergie
kriegte sie.
Hänsel fühle sich tipptopp,
Gretel aber hängt am Tropf -
Letzte Zeit stimmt etwas nicht
mit dem Kopf:
Die Gedanken sind nicht frei -
Sie ist immer noch dabei:
Hört den letzten Hexenschrei,
schubst sie ’rein.
Das ist allgemein bekannt -
Alte Hexe ward verbrannt.
Seit am Tatort ein Museum
entstand,
Strömt zum Brothäuschen im Wald
Neugieriger Jung und Alt,
Jetzt bereuen alle halt
die Gewalt.
Also, Leute, zweifelsfrei
Ist das keine Lügerei,
Dass die gute alte Zeit
sei vorbei.
Wie gesagt war zu Beginn
Steht jetzt nicht mehr alles drin
In den Märchenbüchern von
Brüdern Grimm.
War das wirklich in der Tat?
Wenn das alles war,
Dann hab ich das Märchen satt,
das ist sicher wahr.
Aber jetzt läuft ab die Frist,
keiner fängt die Maus.
Nur mir reicht ’s jetzt!
Endlich ist dieses Märchen aus.
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