Manch einer glaubt an Mohammed, an Allah oder Jesus, manch einer glaubt an gar nichts, an den Teufel auch vielleicht, die glücklichste Religion erdachten sich die Hindus, daß man nicht ganz zugrunde geht, wenn man die Segel streicht. Ist deine Seele aufgestrebt, wirst du bald neu geboren sein, doch hast du wie ein Schwein gelebt, dann hilft dir nichts: du bleibst ein Schwein. Und schauen sie dich neidisch an, sollst du nichts darauf geben, du kommst ja, selbst zum Spott bereit, auf diese Welt zurück. Und hast du Feinde sterben sehn bereits in diesem Leben, hast du in deinem nächsten einen wachen, scharfen Blick. Führst du dein Leben ganz normal, dann darfst du dich schon freuen, denn deine Seele wird einmal ein Chef von dir entleihen.
Wie blühend ist die Phantasie in dieser heiklen Frage! Warst du mal stolz und ehrbar, stehst du nun als Dummkopf hier. Und bist du wirklich nicht erfreut von dieser neuen Lage, sei dankbar noch dafür, daß du nicht wiederkamst als Tier. Geh lieber gleich aufs Ganze, als mit Kränkungen zu sparen, denn du sitzt später andernfalls als Laus zwischen den Haaren.
Und lebst du jetzt als Knecht, wirst du zum Bauleiter erkoren, das bleibst du auch, bis du mal ein Ministeramt erwirbst. Doch bist du klobig wie ein Baum, wirst du als Baum geboren und wirst ein solcher bleiben tausend Jahre, bis du stirbst. Ist es nicht besser, bei der Angst, als Natter einst zu leben, wenn du als Mensch bereits erlangst, den Ruhm, nach dem wir streben? Wer dieser ist, wer jener war - wir sind uns nie im klaren. Und unsere Genetiker verzweifeln am Befund. Mag sein, der dürre Kater war ein Schuft in jenen Jahren, und dieser nette Bürger war vielleicht ein braver Hund. Ganz vor Vergnügen hüpf ich schon und ziehe für mich diesen Schluß: Die praktischste Religion erdachten sich die Hindus!
© Manfred Lieser. Übersetzung, 2008