Ich will’s euch anvertrauen, ich habe jetzt genug. Es schoss im Morgengrauen auf mich der ganze Zug. Wie traf mich diese harte Bestrafung ohne Grund? Nicht, dass ich es nicht ahnte, doch hielt ich meinen Mund. Mein Kommandant hat mich noch fast bewahrt, doch jemand gab‘s, der meinen Tod beschloss. Und das Kommando folgte akkurat, doch einer war darunter, der nicht schoss. Der Grund, mich zu belangen, war lange Zeit zuvor: Ich nahm einen gefangen, doch brachte es nicht vor. Geheimagent Suetin, des Tatendranges voll, erschnüffelt und erspäht ihn, und nimmt’s zu Protokoll. Er brachte alles ungeschminkt ans Licht, die Fakten, die er in die Menge goss. Und alle lauschten hilflos dem Bericht, nein, außer dem Erwähnten, der nicht schoss. Ein Arm fällt jäh hernieder, ein Schrei tönt: „Feuer frei!“, die Salve wirft mich nieder, doch war’s noch nicht vorbei. Ich hör: “Er ist am Leben. Schafft ihn ins Hospital! Erschießung kann es geben gewiss kein zweites Mal.” Und während dann der Doktor ganz erstaunt aus mir Geschoss entfernte um Geschoss, hab ich im Fieber heimlich zugeraunt dem guten Kerl, dem einen, der nicht schoss. Ich leckte meine Wunden, jedoch sie heilten schlecht. Ich war ans Bett gebunden, doch kam zu meinem Recht. Es riefen nur entschlossner die Schwestern der Station: “He du, du Halberschossner, Komm her zur Injektion!” Mein Bataillon war siegreich auf der Krim, ich schickte etwas Zucker ihrem Tross, damit das Kämpfen süßer würde ihm, ja wem denn wohl? Dem einen, der nicht schoss. Ich schlürfte Tee aus Tassen, auch Wodka fehlte nicht. Mich nicht bezwingen lassen, war meine erste Pflicht. Zurück bei den Genossen, ruft mir der Oberst zu: „Dass sie dich nicht erschossen, wie war ich, war ich froh!“ Ich konnt nicht froh sein, denn was ich gehört, ließ mich verzweifeln, manche Träne floss: Ein deutscher Schütze hatte mich zerstört, in der Person des einen, der nicht schoss.
© Manfred Lieser. Übersetzung, 2011